Nichts Neues
Mit unseren Aphorismen werfen wir knapp, aber treffend, gemeine Wahrheiten, Weisheiten oder Erkenntnisse auf, für die wir bereits von Geburt an dispositioniert waren.
Seit tausenden von Jahren mäkeln die Aphoristiker schon an den Menschen herum, an deren Moral, machen Vorschläge zur Besserung. Aber seit tausenden von Jahren hat es nichts bewirkt. Und auch heute noch schreiben Aphoristiker sich die Finger wund. Wann begreifen sie endlich, man muss die Menschen so nehmen wie sie sind, mit allen ihren Dummheiten, die sie schon begingen, vor der Zeit, seitdem es Aphoristiker gab.
Viele Menschen erzählen mir, dass sie enttäuscht wurden von ihren Mitmenschen, haben sich einen Vogel angeschafft. Ich erkläre dann immer, dass man die Latte seiner Erwartungen zu hoch gehängt hat. Daran reichen nur wenige "Heilige" heran. Wenn man sein Menschenbild angemessen revidiert, wird man Enttäuschungen besser verkraften.
Wie viele Ehepaare kenne ich, die sich am Anfang ihrer Ehe überhaupt nicht vorstellen konnten, irgendwann mal ihren Partner zu betrügen, auch im Alkoholrausch.
Ich komme zu dem Schluss, dass man sich also selbst nicht bedingungslos trauen darf. Allerdings fällt es einem sicher sehr schwer, bis man dann erstmals zum Beispiel bei seiner geilen Nachbarin einer Schwächephase erlegen ist.
Erst später wurde mir klar:
Wer sich in steile Gebiete der Philosophie wagt,
sollte herunter kommen von seinem hohen Ross.
Ein Esel böte da einen sicheren Tritt. Und es gilt:
Lieber einen Fisch an der Angel, als keinen in der Reuse.
Die Menschenwürde bemisst sich an ihrem Soll-Zustand;
ihr Ist-Zustand ist unwürdig. Man soll der Vergänglichkeit
ein Schnippchen schlagen, sich an die erfüllten Stunden
oder Jahre erinnern mit Gewinn.
Ich schaue gerade in den Spiegel, kneife meine lose Haut
am Hals, raffe Falten, dass sich das Gesicht strafft. Ja, ich
war früher mal schön und glatt. Die Weisen empfehlen,
genieße den zufriedenen Augenblick, aber dass man auch
loslassen können muss. Ich ließ los und da hingen sie wieder
durch, die Früchte des Alterns, diese schlaffen Lefzen, echt
Scheiße.
Indessen unternahm mein Gemütskaninchen
Feldversuchungen aus seiner Nano-Perspektive
beim Wiedereintritt entlang der Spannungslinien
zwischen den wogenden Hitzewallungen seiner
cerebralen Funktion innerhalb der oszillierenden
elektromagnetischen Frequenz, jedoch denke ich,
nur deshalb, weil wir uns gerade parallel im Quadrat
der Zeitachse mit der Kleinen Magellanschen Wolke
befanden, und nicht im Hasenpanier mit uns selbst.
Ja, es wurde mir klar, die verschollene
Würde würde nur wiederkehren, wenn ich in
Würde mich zeigen würde, wie neulich, als ich
erhobenen Hauptes durch den Supermarkt
schritt; wie eine Lichtgestalt wurde ich angestarrt,
in den Augen der Kunden spiegelte sich meine
Erhabenheit, machte mich erhaben über alles,
über den schnöden Mammon, über meine
schlaffen Lefzen, und sogar über die Hundescheiße
vor dem Laden, über der ich in diesen hineinrutschte,
wie in jene Offenbarung mit dem Gemütskaninchen.
Das alltägliche Brot
ist hart geworden
mit Löchern darin
die Luft zum Atmen
riecht nach Schießpulver
das Singen der
Vögel ist verstummt
im Hagel der Kanonen
zuviel welkes Blatt
am Baum des Lebens
die Träume von einem
glücklichen Europa
sind fortgeflogen
mit den Störchen
ziehen sie dahin
am blutenden Himmel
Traum vom Baum
Begegnete ich am Morgen jemandem,
wurde schon mal gefragt: "Wohin des Weges?"
Meistens ging ich zum Bäcker,
mein tägliches Brot abzuholen.
Ging ich den Jakobsweg entlang,
fragte mich keiner; alle wussten,
es ist der Pfad zu mir selbst.
Ich trug meine Asche mit mir,
und am Ende den Wunsch,
es würde ein Baum darauf wachsen,
in dessen Gezweig fröhliche Vögel nisten
und Menschen in Baumhäusern.